Samuel Reyher
Deutscher Mathematiker und Astronom
* 19.04.1635 in Schleusingen
(Thüringen)
† 22.11.1714 in Kiel
Samuel
Reyher wird am 19.04.1635 in Schleusingen (Thüringen Grafschaft Henneberg) geboren, wo sein Vater Andreas Reyher Rektor
am Gymnasium ist. In Leipzig beginnt er 1654 mit dem Studium der Mathematik und
Jurisprudenz. Hier nimmt sich ein einflussreicher Ratsherr seiner an und
ermöglicht ihm eine Studienreise nach Holland.
Beeindruckt
vom wissenschaftlichen Leben in Holland kehrt er wieder nach Leipzig zurück.
Er arbeitet
an unterschiedlichen Rechtsfragen und hält Vorlesungen als Magister der philosophischen
Fakultät.
Der Herzog
von Gotha wird auf den jungen Reyher aufmerksam, macht ihn zum Erzieher seines
ältesten Sohnes und schickt ihn als dessen Begleiter auf eine Bildungsreise
nach Holland.
Wieder nach
Deutschland zurückgekehrt, beschließt Reyher seine juristischen Studien in
Holland (Leiden) zu beenden. Der Ausbruch der Pest in Holland zwingt ihn jedoch
zu einem Zwischenstopp in Rinteln an der Weser. Hier lernt er den Philosophen
M. Watson kennen, der gerade einen Ruf an die neu gegründete (1665)
Christian-Albrechts-Universität in Kiel erhalten hatte. Auf Watsons Fürsprache
hin wird Reyher als Mathematikprofessor ebenfalls dorthin berufen. Hierbei
spielt der ebenfalls aus Thüringen stammende Prorektor P. Musäus
eine unterstützende Rolle.
Ehe er
jedoch 1665 in Kiel sein Amt antritt, promoviert er noch in Leiden mit einer
Dissertation über das Recht der Erstgeborenen.
Bis ins
hohe Alter behält Reyher eine erstaunliche Leistungsfähigkeit, erst mit 77
Jahren lässt er sich von seinem Lehramt entbinden. Lehrveranstaltungen hält er
jedoch noch bis zu seinem Tode ab.
Samuel
Reyher stirbt am 22.11.1714 in Kiel und wird im Schleswiger Dom beigesetzt.
Obwohl
Reyher seit 1665 Professor für Mathematik ist, hält er seit dieser Zeit auch
juristische Vorlesungen. 1673 wird er Extraordinarius der juristischen
Fakultät, 1692 ordentlicher Professor des Codex.
Der Herzog
von Gotha (sein ehemaliger Schüler) ernennt ihn 1682 zum sächsischen Rat. 1702
wird er Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin, deren Präsident
Leibniz mit Reyher eine lebhafte Korrespondenz unterhält und ihn sehr schätzt.
An der
Kieler Hochschule gehört Reyher zu den beliebten Professoren. Auf Wunsch seiner
Studenten organisiert er neben den
Pflichtvorlesungen zahlreiche Privatveranstaltungen und baut und repariert
seine Instrumente selbst.
Sein
Interesse gilt überwiegend der praktischen Frage: „Wie kann die Mathematik am
besten zur Erklärung und Nutzbarmachung von Naturphänomenen herangezogen
werden?“
Um hinter
dieses Geheimnis der Natur zu kommen, macht Reyher über Jahre dauernde
Beobachtungsreihen. In seinen mathematischen Vorlesungen benutzt er
Rechenstäbe, die ein holsteinischer Edelmann von Qualen erfunden haben soll und
Reyher als Ersatz für die ungeliebten Logarithmentafeln dienen.
1669 gibt
er eine deutsche Bearbeitung der ersten 6 Bücher Euklids heraus.
Von Beginn
an hält Reyher auch öffentliche und private Vorlesungen über Astronomie. Er
benutzt dabei die Institutiones astronomicae
(1647) des Pariser Jesuiten
Pierre Gassend (1592-1655).
Später
empfiehlt er seinen Studenten auch die Institutiones
astronomicae von Mercator (London 1676).
Bei der
Erklärung einer von ihm beobachteten Sonnenfinsternis hält er sich an die Lehre
des Kopernikus (heliozentrisches Weltbild), die für ihn das Fundament der
Astronomie ist.
Im Winter
1701/02 behandelt er die Bewegung der Himmelskörper nach den Systemen von
Kopernikus, Tycho Brahe, Longomontanus und Ptolemaios. Bei Angaben über die
Proportionen von Sonne und Planeten dienen ihm die Werke von Huygens und
Cassini als Richtschnur. Die Werke Keplers waren ihm wahrscheinlich nicht
bekannt.
1667
beginnt Reyher astronomische Führungen auf dem Universitätshof mit von Heinrich
von Qualen gestifteten Instrumenten, die sich in Kiel zunehmender Beliebtheit
erfreuten. Später setzt er die Beobachtungen auf einem Turm des Kieler
Schlosses fort. 1702 folgt sogar die herzogliche Familie einer Einladung
Reyhers zu „astronomischen Darbietungen“. Dieser Besuch verhilft Reyher
schließlich zu einem eigenen Observatorium, dass vermutlich 1703 auf dem Kieler
Schloss errichtet wird.
Reyher
beobachtet mit seinen Instrumenten Sonnen- und Mondfinsternisse und auch
Sonnenflecken (1704). Er bestimmt die Mittagslinie (mit dem Schatten eines Gnomons bei Tag- und Nachtgleiche) und die Polhöhe von
Kiel.
Am
Sternhimmel beobachtet er über viele Jahre hinweg (44 Jahre seit 1669) den
Veränderlichen Mira im Walfisch. Den Lichtwechsel erklärt Reyher
folgendermaßen: „Die Fixsterne sind feurige Massen, ebenso wie unsere Sonne;
sie drehen sich um ihre eigenen Achsen und erzeugen auf ihrer Oberfläche
Fackeln und Schlacken. Die Mira Ceti ist zu zwei
Dritteln mit solchen Schlacken bedeckt, die das Leuchten ihres inneren Feuers
nicht durchlassen, und nur das letzte Drittel kann Licht aussenden. Die
wechselnde Helligkeit wird durch die Achsendrehung hervorgerufen, und durch sie
kann dann die Periode der Umdrehung festgestellt werden.“
Daneben
beobachtet er Kometen (1682) und den Andromedanebel (1711), in erster Linie
interessiert er sich aber für die Planeten und ihre Bahnen.
Er
berechnet den Durchgang des Merkur vor der Sonne am
5.03.1707, kann ihn aber mit seinen bescheidenen Instrumenten nicht beobachten.
Ein
notwendiges Hilfsmittel für astronomische Beobachtungen sind genau gehende
Uhren. Daher begann Reyher schon früh mit der Konstruktion eigener Zeitmesser.
Mit Hilfe dieser Uhr findet er eine Jahreslänge von 365,2418 Tagen. Der heutige
Wert ist 365,2422.
In den
ersten Jahren seines Kieler Aufenthaltes beschäftigt sich Reyher auch mit
optischen Fragen und hält Vorlesungen darüber. Zur praktischen Demonstration
optischer Effekte stellt er 1667 eine Camera Obscura auf. Er kann sie jedoch
nicht ununterbrochen anbieten, da er sie von seinen eigenen Geldmitteln
unterhalten muss und an herzogliche Unterstützung nicht mehr zu denken ist.
Erst 1703
kann er sie – inzwischen beträchtlich vergrößert – wieder eröffnen.
Die
Demonstrationen in der Camera Obscura, die er mehrmals pro Semester vorführt,
setzt er bis zu seinem Tode fort.
1670
veröffentlicht Reyher eine kleine Schrift über die Luft, De Aere sive
pneumatica, die weite Verbreitung findet und über die er in eine Korrespondenz
mit Leibnitz eintritt. Im Laufe dieses Briefwechsels bittet Leibnitz ihn,
einige Monate hindurch meteorologische Beobachtungen in Kiel zu machen.
Er misst
von da an mehrmals am Tag Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und
beschreibt die Bedeckung des Himmels und setzt diese Aufzeichnungen bis an sein
Lebensende fort.
Neben der
Messreihe des Landgrafen von Hessen (ein Schüler Galileis) sind Reyhers Werte die ältesten Wetteraufzeichnungen
Deutschlands und bestätigen das Auftreten einer „kleinen Eiszeit“ am Ende des
18. Jahrhunderts.
Daneben
stellt Reyher erste meereskundliche Untersuchungen, beispielsweise zum
Salzgehalt des Wassers, an und beschäftigte sich mit der geodätischen
Vermessung des Kieler Hafens und der Schwentine.
De aere sive pneumatica, Kiel 1670
Mathesis mosaica,
De natura et jure
auditus ac soni,
Aqua marinae dulcedo,
De astronomicis observationibus,
Quellen:
300 Jahre Meeresforschung an der
Universität Kiel,
Berichte aus dem Institut für Meereskunde Nr. 246